Meine Berufung zum Schamanen
Meine Berufung zum Schamanen
02.02.1996 Maria-Lichtmess-Zeremonie
Drei von uns kamen an diesem Abend zusammen, um Maria Lichtmess zu feiern. Maria Lichtmess oder Imbolc, was die Wiederkehr des Lichts bedeutet, ist, wie die anderen großen Feiertage des alten und neuen spirituellen Kalenders, ein heiliger Tag für mich. Als Ort wählten wir das Zimmer meines Bruders, zuhause bei meinen Eltern im 7. Stock eines Hochhauses.
Diese Zeremonie sollte einer der ganz großen und wichtigen für mich werden.
Noch vor der Zeremonie bereinigten wir alles, was zwischen uns, den Teilnehmern der Zeremonie stand. Ich bereitete den heiligen Raum, reinigte ihn, tätigte die Anrufungen und die Zeremonie begann. Wir rasselten und sangen. Die Trance verstärkte sich von Augenblick zu Augenblick und plötzlich verselbstständigte sich mein Gesang. Es wurde sehr ekstatisch, eine starke Energie durchfloss mich und ich wurde zu einem Kanal für heilende und heilige Lieder. Das, was da durchkam, war nicht für mich, ich stand total im Dienst für die anderen. Ich, als Stefan, stand an der Seite und beobachtete, was geschah, ohne die Möglichkeit in das was vor sich ging einzugreifen, die Lieder auszusuchen, eine andere Tonhöhe zu singen oder was auch immer. Ich konnte nur da sein und wahrnehmen was geschah, während ich zuließ, was geschehen wollte. Und was geschah war, das eine starke Energie selbstständig Heilungsarbeit durch mich tätigte. Plötzlich hörte ich diese „Stimme“ in meinem Kopf, ganz klar unmissverständlich: Du bist ein Schamane! Schneide dir die Haare!
Die Haare schneiden. Das war harter Tobak. Meine Haare waren lang, sehr lang. Ich liebte meine Haare, meine Haare waren mir fast heilig. Es hat 8 Jahre gedauert, bis sie so lang waren. Meine Haare sind meine Antennen in die andere Welt und mein Symbol des Wiederstandes gegen das Establishment. Ein Symbol dessen, das ich mich nicht unter die Spielregeln eines Spiels begeben möchte wo es um Werte geht die nicht die meinen sind und welches hierbei unsere Mutter Erde zerstört. Meine langen Haare hatte ich mir in einem harten Kampf gegen meinen Vater erkämpft und jetzt sollte ich sie abschneiden. Ich versuchte diesen Teil der „Stimme“ zu überhören. Doch was geschah war unmissverständlich. Die Energie im Raum veränderte sich, es begann energetisch zu hacken, ein bisschen wie bei einem Sprung in der Schallplatte, für die von Euch die das noch erlebt haben. Ich erinnerte mich an eine Zeremonie mit der Native American Church und dem heiligen Sakrament Pejote. Bei dieser Zeremonie hatte ich mir eine Bussard-Feder in die Haare geflechtet und eines der Geistwesen sagte zu mir, während die Zeremonie im vollen Gange war, ich solle sie abnehmen, denn es gebührt mir nicht diese in dieser heiligen Zeremonie zu tragen. Welch eine Schmach, jetzt vor allen anderen Teilnehmern diese Feder abzunehmen. Auch damals versuchte ich diese Stimme zu überhören. Auch damals ging es nicht weiter, bevor ich die Feder abgenommen habe. Also steckte ich damals die Bussard-Feder vor mir in den Boden. Doch auch das war den Spirits nicht recht. Ich weiß auch warum. Mein Ego hat sich hier ein Denkmal gesetzt. Seht her, ICH habe sie abgenommen, ICH habe es getan. Also drang mich mein Gewissen, die Feder ganz still und leise zur Seite zu legen. Ich hatte sie später dem Feuermann geschenkt, er war ein würdiger Empfänger.
Mir wurde nun schmerzlich bewusst, dass ich jetzt meine Haare abrasieren werde. Als ich das aussprach, waren meine Zeremonie-Gefährten geschockt. Sie kannten mich und wussten wie sehr mir meine Haare am Herzen lagen. Sie versuchten mich zu Übereden und es mir nochmal zu überlegen. Ich spürte intuitiv, das ich jetzt die Haare schneiden muss. Wenn ich die Haare jetzt nicht schneide, werde ich diese Stimme immer weiter verdrängen und irgendwann werde ich vergessen was mir der Raum der Gnade mitgeteilt hatte. Ich werde es nicht wichtig nehmen, ich werde die Weisung der hohen Geistführer missachten.
Die Haare mussten weg, jetzt. Das war die einzige Möglichkeit und hatte mich entschieden. Zufällig, es gibt keine Zufälle wie ihr wisst, hatte mein Freund C. einen Langhaarschneider dabei. Dann nahm ich meinen Mut zusammen, stellte dabei das Geplapper meines Verstandes auf die Seite, der mich schon für verrückt erklärte, und begann den Apparat anzusetzen. Eine große Stille und die gebahnte Aufmerksamkeit meine Reisegefährten erfüllte den Raum. Ein unangenehmes Surren begann und als die ersten Haare vielen hatte ich eine klare Vision des 17. Karmapas. Er lächelte mich an und verschwand. Ich wusste alles ist gut, ich spürte, dass ich gerade eine Prüfung aus der geistigen Welt bestanden hatte. Eine Prüfung, die mich für viele weitere Prüfungen qualifizierte. Meine Lehrzeit zum Schamanen kommt auf eine neue Ebene. Intuitiv wusste ich, dass ich die Haare aufheben soll, denn diese Haare sind Kraftobjekte.
Dann kam die Energie zurück, wir trommelten und tanzten und es wurde sehr ekstatisch. Plötzlich stand mein cholerischer Vater in der Tür und schrie aus voller Brust: „Habt ihr noch alle Tassen im Schrank wir sind doch hier nicht bei den Wilden, macht das Fenster auf hier stinkt´s!!!“ Wohlgemerkt es war mitten in der Nacht, wir hatten kräftig geräuchert und wir wohnten in einem Hochhaus, das trommeln hat man wahrscheinlich noch im Erdgeschoss gehört. Dann sah er mich und meinen gescherten Kopf und er hat kein Wort mehr herausbekommen, er starte mich mit großen geschockten Augen an und schwieg. Jedes mögliche Wort war verschwunden. Die Haare sind weg, die Haare, gegen die er so lange gekämpft hat, sind weg. Doch ganz weg, eine Glatze? Er verließ das Zimmer, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ging zurück in sein Wohnzimmer. Wir erholten uns ein paar Momente von unserem Schock und dann feierten wir so leise wir möglich weiter.
Mich suchte bald ein Wechselbad der Gefühle heim. Zwischen Trauer um meine Haare und das Zweifeln an meinem Verstand der mich für verrückt erklärte und Stolz, das ich meiner inneren Führung gefolgt bin und ein so großes Opfer (wie ich es empfand) gebracht habe.
Ja, die Lehrzeit ist noch lange nicht vorbei.
Sie sollte bis zum 31.10.2011 dauern, so das mit dem Beginn meiner spirituellen Reise im Sommer 1992, bis zu meiner Ernennung zum Schamanen über 19 Jahre vergangen sind. Wobei die Lehrzeit niemals aufhört, nur um es vorweg zu nehmen…..
Vorgängervision des Textes, der in dem Buch "Der Pfad des Lichts" veröffentlicht wurde:
Soft-Cover 978-3-347-91435-3:
Hardcover 978-3-347-91436-0: